Donnerstag, 15. Dezember 2016

Eine Nacht im Gefängnis

Whangarei, Northland, New Zealand - Do. 15. Dezember '16, Ortszeit: 20:44

Bevor ihr euch jetzt fragt, was zum Teufel ich angestellt habe: Es ist genau genommen ein ehemaliges Gefängnis und umsonst ist es leider auch nicht, hier zu schlafen. Aber für 25 $ die Nacht kann ich echt nicht meckern.


Zumal es echt gemütlich ist. Klingt komisch, bedenkt man, dass ich tatsächlich in einer ehemaligen Gefängniszelle schlafe, ist aber so. Das Zimmer ist sehr spärlich eingerichtet, heißt konkret: zwei Matratzen, eine Neonröhre an der Decke - das war's. Keine Steckdosen, aber die gibt es in der Küche, dem angrenzenden Wohnzimmer und im Anbau mit dem Esstisch zur Genüge. Vom Anbau kommt man durch eine Glastür direkt in den "Gefängnishof", der tatsächlich noch Stacheldraht auf der Mauer hat, dieser ist aber von einer Obstpflanze überwuchert - überhaupt ist der kleine Hof sehr grün und gemütlich. Es gibt sogar eine Dachterasse, das heißt, das Dach ist begehbar. Und auch dort: Unmengen an Pflanzentöpfen.

Bis auf die Küche und die angrenzenden Räume und die beiden Badezimmer ist alles sehr karg eingerichtet - eben ganz Gefängnismäßig, mal abgesehen von den weichen Matrazen. Es gefällt mir hier trotzdem sehr gut. Es hat sicher was, in einer Zelle zu schlafen. Und nach einem 6- und einem 8-Bett-Zimmer ist ein 2-Bett-Zimmer (das zumal noch wesentlich günstiger ist!) mal eine willkommene Abwechslung. Und die Besitzerin ist sehr nett.


"The Cell Block" liegt in Whangarei, das ist eine Kleinstadt in Northland, zwei Stunden Fahrt von Auckland entfernt. Ich bin so froh, dass ich endlich aus der City raus bin.


Für die letzte Nacht bin ich aus dem Attic ausgezogen in ein anderes Hostel, zwanzig Minuten vom Zentrum entfernt. Ein Fehler, wie ich schnell feststelle - erstens, weil es einfach dämlich war, vom Zentrum wegzuziehen, denn die drei Dollar, die ich für das Zimmer gespart habe, sind sofort wieder weg, weil ich den Bus ins Zentrum nehme, als ich zu faul zum Laufen bin. Zweitens, weil das Hostel direkt an der Autobahn liegt. Drittens, weil das Zimmer im dritten Stock liegt und der Aufzug (natürlich) kaputt ist - dafür habe ich allerdings auch eine ganz nette Aussicht. Alles so weit noch nicht tragisch - aber die Kakerlaken-ähnlichen-Insekten in der Küche stören mich dann schon. Und duschen will ich hier lieber auch nicht.

Aber es ist ja nur eine Nacht. Und weil das Hostel auf halber Strecke zwischen dem Zentrum und Mount Eden liegt, beschließe ich, abends noch mal auf den Vulkan zu steigen. David, der für zwei Nächte wieder in Auckland ist, schließt sich mir an.


Nachdem es am Nachmittag in Strömen geregnet hat, klart es abends glücklicherweise wieder auf. Zwar verdecken uns Wolken die Sicht auf den "richtigen" Sonnenuntergang, aber das ist nicht so schlimm. Es ist trotzdem wunderschön, und wir bleiben lange genug, um mit anzusehen, wie nach und nach die ganzen Lichter der Großstadt unter uns angehen. Wir bereuen den Aufstieg keinen Moment.


Heute morgen muss ich schon um halb acht am Bus sein, und zur Haltestelle erst einmal noch eine Viertelstunde laufen. Ich habe mir einen Stray-Everywhere-Pass gebucht - war zwar recht teuer, aber dafür habe ich mein Fortkommen in Neuseeland jetzt gesichert und muss zumindest nichts mehr bezahlen, um von A nach B zu kommen. Der Pass funktioniert wie folgt: Der Bus fährt eine festgelegte Route, aber dank Hop-on-hop-off kann ich selbst entscheiden, wann ich welche Strecke fahre und wie lange ich an einem Ort bleibe. Außerdem garantiert Stray einem an jedem Stop die Unterkunft für die erste Nacht.
Die Fahrer sind dabei sehr freundlich und mitteilsahm, helfen einem auch dabei, am Zielort Aktionen zu buchen oder geben einem Tips, was man so machen kann. Gerade für jemanden wie mich, der allein unterwegs ist, echt eine gute Sache.

Unser Fahrer heute heißt Seagull. (Wahrscheinlich wird er eher "Seagel" oder so geschrieben, aber er stellt sich uns als "Seagull, just like the bird" vor.) Ein lustiger Mensch, sehr gesprächig, erklärt allen, die wie ich das erste Mal in einem Stray-Bus sitzen, erst einmal, was Sache ist. Hält nach einer halben Stunde dann aber die Klappe, wofür ich ganz dankbar bin, weil ich echt müde bin - ich schlummere also bis zum ersten Stop eine Weile vor mich hin.

Genau, dann gibt es ja auch noch ein paar Extra-Stops auf der Strecke. Heute wären das zwei, aber ich steige beim zweiten sowieso aus. Nach etwa einer Stunde halten wir bei einem Besucherzentrum in der Nähe von Warkworth. Hier steht ein riesiger Kauri-Baum - 800 Jahre alt, verdammt groß, wie ich finde, auch wenn Seagull sagt, dass das hier noch gar nichts ist - der älteste bekannte Kauribaum ist etwa 3.500 Jahre alt und etwa dreimal so groß wie dieser.

Die Maori glauben, dass durch diese Bäume ihre Seelen in den Himmel auffahren. Deshalb sind sie früher, wenn sie auf eine Reise oder einen Feldzug gingen, immer zu "ihrem" Kauri-Baum und umarmten ihn - das sollte Glück bringen. Natürlich muss ich diese Chance nutzen und mir ein bisschen Glück für meine Reise sammeln.

Laut Seagull bekommt man auch keinen Kater, wenn man am Tag vorher einen Kauribaum umarmt hat, aber das überprüfe ich jetzt einfach mal nicht.


Ich fahre nicht die ganze Strecke nach Paihia, wo eigentlich der erste Über-Nacht-Stop liegt, sondern steige in Whangarei aus, weil ich hier in der Nähe einen Wwoof-Host gefunden habe. Der Kontakt ist zwar schon einige Tage her und eigentlich weiß ich nicht einmal, ob sie mich schon aufnehmen können - aber ich wollte echt aus Auckland weg, deshalb habe ich es einfach mal darauf ankommen lassen.

In Whangarei angekommen rufe ich Sally, den Host, an, lande aber erst einmal nur auf der Mailbox. Also miete ich mich einfach mal im nächstbesten Hostel für eine Nacht ein - und wie gesagt: Das "Cell Block" ist echt super. Sally ruft im Laufe des Nachmittags zurück und sagt, dass sie mich Samstag aus Whangarei abholen könnte. Dadurch habe ich zwar noch einen Tag Aufenthalt, aber das ist nicht allzu schlimm - Whangarei liegt sehr schön und es gibt auch den ein oder anderen sehenswerten Trail in der Nähe. Ich werde die Zeit schon herumkriegen.

Der Mond war auch nicht schlecht - aber am besten ist das Bild, auf dem David ihn aufisst!

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