Freitag, 9. Dezember 2016

Eden

Auckland, New Zealand - Sa. 10. Dezember '16, Ortszeit: 08:30

Gestern war nicht nur der erste richtige Neuseeland-Sonnentag, den ich erleben durfte, sondern ich habe auch den meiner Meinung nach schönsten Ort Aucklands entdeckt. Bisland wirkte die Stadt ja eher hässlich, hektisch und laut auf mich - eben die typische Großstadt. Aber gestern ist mir klar geworden, dass ich mit meinen Urteilen vorsichtig sein sollte, bevor ich nicht alles gesehen habe. Oder alles einfach mal aus einer andern Perspektive.
Nach einem vormittäglichen Ausflug zum IEP-Büro zwecks CV-Überprüfung und etwas Jobrecherche wollten viele aus unserer Gruppe hoch zum Mount Eden, einem der vielen Vulkane Aucklands und, wie wir gehört haben, ein schöner Aussichtsspot. Letztendlich splitten wir uns in drei Gruppen auf, weil einige früher los wollen, andere bis hoch zum Berg laufen (ca. 1 1/2 Stunden, und das bei der Hitze!), während David und ich uns dazu entschließen, lieber den Bus zu nehmen. 

Wir wurden bereits vorgewarnt, dass das Bussystem Aucklands katastrophal ist - und es war nicht untertrieben. Statt Namen haben die Haltestellen hier drei- bis vierstellige Nummern, und das, obwohl die Kiwis es doch eigentlich so lieben, Dinge nach ihren Eigenschaften zu benennen (siehe z.B. Blue Bird und Bay of Islands). Zudem blicken wir beide bei dem Busplan kein Stück durch. Mittels durchfragen schaffen wir es dann doch, den Bus zur Eden Street zu erwischen.

Schon als wir den Bus verlassen, stellen wir fest, dass wir in einem ganz anderen Auckland gelandet sind. Süße kleine Holzhäuschen und herausgeputzte Villen säumen die Wohnstraße, in der wir uns wiederfinden. Außerdem ist es herrlich ruhig hier oben - den Verkehrslärm, der in der Innenstadt allgegenwärtig ist, hört man nur von ferne. Hier zu leben muss herrlich sein.


Wir brauchen ein paar Minuten, bis wir uns einig sind, in welche Richtung wir müssen - letztendlich nehmen wir einfach den Weg bergauf, wer hätte es gedacht. Und dann liegt er auch schon vor uns: Mount Eden. Ein grüner, mit Palmen und anderen Bäumen übersäter Hügel mitten im Wohngebiet. Wir machen uns an den Aufstieg - schon nach Sekunden keuchen wir, weil es so heiß ist. Aber aufgeben kommt nicht in Frage. Und wir werden es nicht bereuen.

Durch ein schattiges Wäldchen geht es über Treppen und Kieswege den Hang hinauf. Wir kommen an einem Parkplatz und einem geschlossenen Kiosk vorbei, dann erreichen wir den Fußgängerweg zum Gipfel.


Schon jetzt ist die Aussicht atemberaubend. Durch die Bäume hindurch können wir die Innenstadt mit dem großen Fernsehturm sehen, der nur einen Block entfernt von unserem Hostel steht. Von hier oben ist das alles plötzlich gar nicht mehr so hässlich. Und je weiter wir uns nach oben bewegen, desto besser wird es. Wir kommen um eine Kurve - und blicken plötzlich in einen grünen Krater. Klar, dies ist ein Vulkan, damit hätte man rechnen können, doch der Anblick ist trotzdem fantastisch. 


Wir haben jetzt fast den höchsten Punkt erreicht. Die Sonne brennt auf uns herunter und wenn wir uns nicht eingecremt hätten, würden wir jetzt wohl einen fetten Sonnenbrand bekommen - aber wir haben ja die Warnungen gelesen und uns vorbereitet.


Ich steige auf einen kleinen Hügel. Wenn man sich im Kreis dreht, kann man jetzt fast ganz Auckland überblicken, von einem Hafen zum anderen. Denn Auckland erstreckt sich, falls ihr es noch nicht wusstet, auf einer Landzunge zwischen dem Südpazifik und der Tasmanischen See. Beide mit türkisblauem, glänzendem Wasser - wir haben uns wirklich den richtigen Tag ausgesucht, um hier hoch zu kommen. Und zwischen den Meeren eine schier endlose Stadt, die abseits des Stadtzentrums fast nur noch aus grünen Wohngegenden mit Einfamilienhäuschen auf großen Grundstücken besteht, zwischen denen immer mal wieder grüne Vulkane wie der, auf dem wir stehen, aufragen. Man kann bis zu den Inseln im Hauraki Gulf blicken, der östlich von uns liegt. Vulkane, Meere, Berge, ein strahlend blauer Himmel - in keiner deutschen Großstadt bekommt man so etwas zu sehen. Vielleicht in keiner anderen Großstadt als dieser.

"Da kommt gerade das erste Mal richtiges Urlaubsfeeling auf", bemerkt David, als wir uns der Spitze nähern. Und er hat völlig recht. Bislang haben wir und nur im Stadtzentrum herumgetrieben, mussten Dinge organisieren, auf Jobsuche gehen... Hier oben können wir uns einfach mal entspannen und die grandiose Sicht genießen.
Natürlich sind wir nicht die einzigen hier, auch wenn ich gedacht hätte, das solch ein Ort bei dem Wetter total überlaufen ist. Aber viele haben sich sicherlich von der Hitze abschrecken lassen - auch der Großteil unserer Truppe, wie wir zurück im Hostel erfahren. Sie haben etwas verpasst.
Es sind aber doch so einige Touristen hier oben - sehr viele Asiaten die in der ganzen Stadt (neben den Deutschen) wohl den größten Anteil der Touristen ausmachen. Die meisten tummeln sich auf der Spitze des Berges, jenseits des Kraters, auf dem ein Schandfleck lauert.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund neigen die Menschen dazu, an ansonsten wunderschönen, natürlichen Orten hässliche Klötze und Spitzen aufzustellen, die sie dann als Wahrzeichen ausgeben. So auch hier. Auf einem Betonklotz steht ein schwarzes, metallenes, pyramidenähnliches Gebilde - ich habe keinen Schimmer, was es darstellen soll. Vermutlich markiert es den höchsten Punkt Aucklands oder so einen Schwachsinn. Ich finde es einfach nur störend - ständig drängt es sich in meine Fotos. Ein Panoramabild ohne dieses Ding ist unmöglich. Es sei denn, man stellt sich auf die Spitze, aber ich glaube fast, dass das verboten ist.

Dennoch: Dieser Berg trägt seinen Namen zu recht - Eden. Ein kleines Paradies inmitten eines fantastischen Landes, von dem ich gerade mal einen winzigen Bruchteil zu Gesicht bekommen habe. Doch nach diesem Erlebnis bin ich noch viel gespannter auf den Rest des Landes, den ich hoffentlich sehr bald zu Gesicht bekommen werde.

Inrgendwo da liegt Deutschland. Kaum zu glauben, oder?

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